
Setz dich – sydń so! Am besten im Rahmen des Altstadt-Boulevards auf die sorbisch beschrifteten avantgardistischen Sitzgelegenheiten, neudeutsch: Stadtmöblierung. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass der öffentliche Raum zumindest im Sommer wie ein großes gemeinsames Wohnzimmer nutzbar wird.
Die in Bautzen erscheinende Sorbische Zeitung ist voll des Lobes: Bei allem Respekt für diverse sorbische Event-Aktionen in der Spreestadt, wo noch nahezu alle sorbischen Institutionen konzentriert sind, sei das doch mal etwas Besonderes, was da in der Seenland-Stadt auf die Beine gestellt worden ist – da werde der öffentliche Raum für Monate geprägt, und nicht nur für ein paar Stunden.
Hoyerswerda wirbt ja mit seiner Liebe zu Ideen. Die lebt durch konkrete Menschen. Zum Beispiel die Citymanagerin Dorit Baumeister. Dem architektonischen Geschick dieses quirligen Multitalents verdanken wir u.a. die geniale futuristische Innenausstattung des Gründungshauses des sorbischen Dachverbandes Domowina, in dem heute die Kulturfabrik kultureller und gesellschaftlicher Vielfalt ein verlässliches Zuhause gibt – auch der sorbischen Community. Hier gründeten wir unseren Klub der jungen sorbischen Freigeister.
Dorit Baumeister hat sich daher sofort der Idee geöffnet, das Sorbische Anteil nehmen zu lassen an der Beschriftung der Sitzgelegenheiten und der Pflanzenkübel. Das war der Beauftragten für sorbische Angelegenheiten der Stadt, Gabriela Linack, eine Herzenssache. Gemeinsam sprachen wir mit der Citymanagerin und rannten offene Türen ein. So läuft das eben in Hoywoy: Kein langes Gezerre, sondern unkomplizierte Vereinbarungen.
Die kernigen Sprüche auf Sorbisch tragen die Handschrift von Gabriela Linack. Sie stehen für sich, wie die hier im Bild dokumentierten Beispiele: “Hladaj mudrje do swěta” = schau klug in die Welt. Natürlich nie allein, die Herausbildung von weiser Weltanschauung ist immer ein Gemeinschaftsprojekt. Auch dieses Bewusstsein ist in der Region Hoyerswerda historisch tief verwurzelt. Oder: “A wěr: Serbja wostanu” = und glaub’s: Die Sorben bleiben. Das hat nicht zuletzt auch der sorbische Kulturbeitrag aus Zeißig zum Altstadtfest unter Beweis gestellt.
Ich begleite dieser Tage ein Mädchen aus meiner angeheirateten Großfamilie zum Kinderschwimmlehrgang im Lausitz-Bad. Sie wird, folgt man ihrer statistischen Lebenserwartung, das 22. Jahrhundert erleben. Neulich sagte ich einer Mitarbeiterin eines Hoyerswerdaer Wohnungsunternehmens: Wir müssen nichts übers Knie brechen, wir arbeiten ja an einer Jahrhundertaufgabe. – Deshalb brauchen wir Nachhaltigkeit, um mal ein überstrapaziertes Modewort zu verwenden.
Der sorbische Sommer auf den Straßen der Altstadt von Hoyerswerda trägt dazu ein Samenkorn bei. Ebenso wie unser zweiter Klub der Freigeister auf dem Lausitz-Tower in der Hoyerswerdaer Neustadt. Da war auch eine sorbisch sprechende junge Frau aus Hoyerswerda mit dabei. Es entwickelt sich. Die selbstbewusste Präsentation der beiden großen Wohnungsunternehmen und der Stadt selbst in der Sonderbeilage der Sorbischen Zeitung zum internationalen Folklorefestival Lausitz, bei dem sich die ganze sorbischsprachige Welt trifft, legte unlängst davon weit über die Grenzen der Stadt hinaus Zeugnis ab.
Das Sorbische ist ja kein Selbstzweck. Es ist das Herz der regionalen Identität und lädt ein zum gemeinsamen Wohlfühlen. Bei Festen und im Alltag – auf den Straßen und Plätzen in unserem schönen Seenland. Wir wollen keine technokratische Zweisprachigkeit, deshalb wird die Übersetzung beim Altstadt-Boulevard auch nicht automatisch mitgeliefert. Wer es wissen will und trotz Google nicht zum Ziel findet, kann sich gerne an den Župan, also den Blog-Autor, wenden.
Es ist aber auch völlig o.k., wenn Sie sagen: Ich verstehe das zwar nicht, finde es jedoch schön, dass es sowas gibt. – Schon seit anderthalbtausend Jahren. Wikipedia-Nutzer wissen ja: Ohne das Sorbische gäbe es die Lausitz nicht, nicht mal ihren Namen, von łuža = sumpfige Wiese. Die Seele der Lausitz ist eine sorbische. Sie braucht keinen Sumpf, im Seenland lebt sie ebenso weiter wie auf Pflaster und Beton. Denn das Sorbische geht – wenn es selbst klug in die Welt schaut – mit der Zeit. Das war schon die Botschaft des Patrons unseres Hoyerswerdaer Domowina-Regionalverbandes, Handrij Zejler.
Die Wetterfrösche sagen: Es wird wieder heiß. Setzen wir uns also gemeinsam entspannt auf die sorbischen Sitzmöbel (auf die deutsch beschrifteten natürlich auch) und legen wir uns mit Kind und Kegel auf die Strände des Seenlands. Dann wird alles gut. Auch wenn man zwischendurch auch arbeiten muss.

Fotos: Gabriela Linack